Vortrag von Prof. Dr. Norbert Jürgens im Siesmayersaal des Palmengartens in Frankfurt am 05.05.2018
Welcher Namibia-Fan hat noch nicht von den mysteriösen "Feenkreisen" am Rande der Namib gehört? Die Entstehung dieser Feenkreise hat lange Zeit Rätsel aufgegeben. Warum ist in diesen kreisrunden Gebilden in der Graslandschaft nur Sand, während der Rand von Gräsern bewachsen ist? Sind sie eine Laune der Natur oder sind sie geschaffen worden? Aber wer ist der Verursacher?
Prof. Dr. Jürgens, Abteilungsleiter Biodiversität, Evolution und Ökologie der Universität Hamburg ist ein Experte für dieses einzigartige Phänomen und hat dem Publikum im voll besetzten Siesmayersaal die Entstehung der Feenkreise und wie er auf die Lösung dieses Rätsels gekommen ist vorgestellt.
Seit über 30 Jahren erforscht Professor Jürgens die Pflanzenwelt im südlichen Afrika. Er leitet große internationale Projekte zur nachhaltigen Landnutzung wie Biota Africa. Die Feenkreise waren nie ein Projekt, sondern ergaben sich nebenher. Nachdem er erstmals 1980 im Richtersveld im Norden Südafrikas auf sie gestoßen war, sollten sie ihn nicht mehr loslassen: Tausende, ja hunderttausende kreisrunde Stellen im dürren Steppengras, vollkommen kahl und scheinbar unfruchtbar mit einem Ring aus hohem und dichtem Gras drumherum, dem Luxusgürtel, wie er ihn nennt. Man findet sie nur in extrem trockenen Gebieten, vor allem im Grasland von Namibia, aber auch im südlichen Angola und im nördlichen Südafrika auf einem schmalen, etwa 2000 km langen Streifen parallel zur Küste bis etwa 160 km landeinwärts, an der Grenze zur Wüste. Spekulationen über ihre Entstehung reichen von Meteoriteneinschlägen und den Boden vergiftende Pflanzen über Ameisen, giftige Erdgase bis hin zu tanzenden Feen.
Seit mehr als zehn Jahren beschäftigt sich Jürgens intensiver damit, dem Geheimnis dieser Kreise auf den Grund zu gehen und die Verursacher oder die Ursache zu finden. Er begann mit der Feldarbeit - mit Karten, Spaten und Bestimmungsbüchern. Dabei zeigte sich, dass die Feenkreise vor allem dort auftreten, wo jährlich nur bis zu rund 100 mm Niederschlag fallen. Am kleinsten sind die Kreise im Norden von Südafrika mit 60 cm bis 1 Meter und am größten in Angola mit bis zu 52 Metern. Die Kahlstellen wurden observiert. Interessant seien sie - so Jürgens - vor allem nach Regenfällen, wenn das hohe Buschmannsgras außerhalb des Kreises üppiger wächst. In der Kahlstelle ist es immer kälter und nasser, auch in Jahren, in denen es gar nicht geregnet hat. Im Kern findet sich immer etwas Wasser, was bedeutet, dass die Feenkreise Wasser fangen und es halten. Das Wasser rund um die Kreise verschwindet, da es dort Pflanzen gibt, die keimen es es dabei verbrauchen. In der Kahlstelle jedoch bleibt das Wasser erhalten, weil es im grobkörnigen Sand schnell in tiefere Regionen versickern kann. Die Kahlstellen sind Wasserfallen, weil etwas dort die Gräser vernichtet. Aber, betont Jürgens, diese Kahlstellen sind nicht "Nichts", sondern vielmehr "Oasen in der Wüste".
Professor Jürgens nimmt das begeisterte Publikum mit auf "Tätersuche" und beschreibt, wie er die die vegetationslosen Kreise vermessen, darin von der Mitte bis durch den Grassaum hindurch eineinhalb Meter tiefe Gräben ausgehoben hat. Er hat dann die dort vorkommenden Pflanzen und Tiere sowie Tierspuren, Bodenbeschaffenheit, Bodenfeuchte und -temperatur dokumentiert. Alle Organismen wurden erfasst. Vor allem Insekten standen im Verdacht. Also wurden häufig gefundene Insekten aufgeführt und Tabellen erstellt. Ein Insekt tauchte überall, an jedem "Tatort" auf: die Sandtermite Psammotermes.
Da die Sandtermiten rein unterirdisch leben, waren sie übersehen worden und bislang unerforscht. Die Sandtermiten, die rund 3 bis 7 Millimeter groß sind, vernichten die einjährigen Gräser nahe ihren Nestern, indem sie deren Wurzeln fressen. Doch damit zerstören sie nicht etwa ihren Lebensraum. Die fehlende Vegetation lässt das seltene Regenwasser 60 bis 90 Zentimetern tief in den Sandboden versickern, wo es kaum noch verdunsten kann. Dieses Wasser nehmen die Termiten über Härchen an der Kehle auf. Es versorgt auch die Gräser an der Oberfläche, die die Termiten verschont haben. Die bilden allmählich die Kreisstrukturen, nach etwa einem Jahr entsteht eine Orientierung, und ab etwa dem 5. Jahr der Luxusgürtel. Langsam wächst der Feenkreis auch nach außen. Der Abstand zwischen den Kreisen ergibt sich wegen der Konkurrenz, auch wenn diese Termiten nicht aggresiv sind.
Laut Berechnungen können Feenkreise 200 bis 2000 Jahre alt werden, also auch Serien von extremen Trockenjahren und Regenjahren überdauern. Sie sterben, wenn Ameisen sich in alten Feenkreisen ansiedeln. Obwohl es zwischen beiden keine Konflikte gibt, gehen die Termiten den Ameisen aus dem Weg. Sind sie fort, können wieder Pflanzen wachsen und die Kahlstellen verschwinden. Nässe über einen längeren Zeitraum kann das Ende von Feenkreisen bedeuten genau wie extreme Dürrephasen. Nach vier Jahren Dürre ist ein Drittel der Kolonie tot. Liegen die Kreise zu dicht nebeneinander, bleiben sie kleiner wegen der Konkurrenz.
Nach guten Regenjahren fliegen Termiten aus, vermehren sich und bilden neue Feenkreise an günstigen Standorten, z.B. auch an Straßen- und Rivierrändern, aber diese Neugründungen können auch schnell wieder verschwinden.
Die erstellten Listen mit Namen von Pflanzen und Tieren ließen darüberhinaus erkennen, dass es im Bereich der Feenkreise bis zu hundert Mal mehr Leben gibt als in der Umgebung. Die Sandtermiten sind soziale Insekten, die mehr als andere Organismen ihre Umgebung gestalten. Sie schaffen nämlich mit den Feenkreisen einen einzigartigen Lebensraum mit großem Nutzen für das umgebende Ökosystem: In den trocken afrikanischen Steppenregionen dienen sie als natürlicher und langlebiger Wasserspeicher.