Vortrag von Prof. Dr. Axel Janke im
Zoo Gesellschaftshaus in Frankfurt (7. Nov. 2018)
Nicht - wie ursprünglich angenommen - eine Art von Giraffen gibt es, sondern vier eigenständige Arten. Dies überraschte. Jedoch musste man zugleich erkennen, dass zwei der Giraffenarten auch bereits vom Aussterben bedroht sind. In seinem spannenden Vortrag informierte Prof. Dr. Axel Janke vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum, der auch an der Goethe-Universität Frankfurt lehrt, das zahlreich erschienene Publikum über die gewonnenen Erkenntnisse aus genetischen Studien. Für die Giraffe Conservation Foundation (GCF), die Proben von Giraffen aus ganz Afrika, selbst aus Bürgerkriegsgebieten, beschafft hatte, haben er und seine Forschergruppe die genetischen Verwandtschaftsbeziehungen der Giraffenpopulationen untersucht.
Da sie vergleichsweise schlecht erforscht sind, wusste man bislang nur wenig über Giraffen: Groß sind sie und daher nicht zu übersehen. Mit deutlich über 100 kg Gewicht gehören sie zur Megafauna. Bullen werden bis zu 6 m hoch und können bis 1600 kg wiegen, Kühe bei bis zu 4,5 m ca 830 kg. Trotz ihres langen Halses haben sie wie die meisten Säugetiere sieben Halswirbel. Sie gehören zur Ordnung der Paarhufer und zählen zu den Wiederkäuern. Die Tiere haben eine auffällige Fellzeichung und besitzen zwei bis vier Hörner und teilweise auch einen Höcker. Sie haben den höchsten Blutdruck aller Säugetiere: Am Herzen beträgt er 280 zu 180 mmHg (beim Mensch sind es 120 zu 80), an den Füßen 400 mmHg. Beim Trinken muss ein einzigartiges Netzwerk feiner Blutgefäße den Blutdruck regulieren, also die Druckunterschiede ausgleichen.
Man findet freilebende Giraffen nur in Afrika und mittlerweile nur noch südlich der Sahara.
Im Jahr 2016 hat die GCF hat einen ersten Zensus durchgeführt. Die Naturschutzorganisation kam auf ihn zu - so Professor Janke -, da sie wissen wollte, wie groß die genetische Biodiversität ist, bzw. wie sich Giraffen in verschiedenen Teilen Afrikas ähneln und welche Auswirkungen es hätte, die Tiere in andere Gebiete umzusiedeln. Ausführliche Gentests sollten durchgeführt werden, wobei es Untersuchungen ihres Erbguts seit 2012 gibt. Damit wollte man auch das Bewusstsein für Giraffen schärfen.
Lange war man von einer Spezies mit neun Unterarten ausgegangen, wobei man sie anhand ihres Fellmusters, dem Aussehen der Hörner sowie ihres Verbreitungsgebietes zugeordnet hatte. Eine Art definiert sich "als eine Gruppe natürlicher Population, die sich untereinander kreuzen können und von anderen Gruppen reproduktiv isoliert sind".
Um an Gewebeproben zu kommen nutzten die Forscher eine Art Dartpfeil, die aus der Giraffenhaut Gewebe ausstanzt, da eine Betäubung extrem gefährlich für die Tiere ist. Einen solchen Dartpfeil hatte Professor Janke zur Anschauung dabei.
Die DNA von über 100 Giraffen aller bislang bekannten Unterarten wurde anschließend analysiert. Dabei stellten die Wissenschaftler fest, dass die Tiere vier unterschiedlichen Arten angehören, die sich in freier Wildbahn nicht (oder so gut wie nicht) untereinander paaren:
- Südgiraffe mit den Unterarten Angola- und Kap-Giraffe. Von ihr gibt es etwa 43.000.
- Massai-Giraffe mit rund 32.000 Tieren.
- Netzgiraffe. Hier gibt es noch etwa 8600.
- Nord-Giraffe mit den Unterarten Kordofan-Giraffe, Nubische Giraffe und Westafrikanische Giraffe. Von ihnen gibt es nur noch rund 3500 Exemplare.
Die Analyse der Stammbäume und die berechneten Evolutionszeiträume hatten ergeben, dass es sich nicht um verschiedene Unterarten, sondern um unterschiedliche Arten handelte. Darüberhinaus haben die Untersuchungen im Forschungsgebiet Hoanib im Nordwesten Namibias gezeigt, dass sich die im Jahr 1991 aus Etoscha dorthin transportierten 20 Individuen nicht mit den dortigen sogenannten etwa 250 Wüstengiraffen vermischt haben, sondern getrennt blieben. Das war bereits seit 30 000 Jahren nicht anders, obwohl die Gebiete nur rund 200 km voneinander entfernt liegen. So helfe die Genetik zu verstehen, dass man diese Art Giraffe dort nicht hinbringen solle, meinte Professor Janke. Weitere Untersuchungen seien geplant, z.B. ob es Hybride unter den Giraffen in Kenya gibt, wofür weitere Proben gesammelt werden müssen.
Es ist nicht nur ein großer Durchbruch, bei Säugetieren vier neue Arten zu finden. Die Erkenntnisse dürften auch Einfluss auf den Artenschutz haben, denn dieser bezieht sich auf Arten. Weniger als 90.000
freilebende Giraffen gibt es in Afrika (im Vergleich dazu 375 000 Elefanten und 5000 Nashörner, die auch gefährdet sind). Ihre Zahl ist in den letzten 15 Jahren um 40 % zurückgegangen, insbesondere die Kordofan- und die Nubische Giraffe sind vom Aussterben bedroht. Ursachen hierfür sind schwindender Lebensraum, Wilderei wegen Aberglaubens (afrikanische Medizin), Fleisch und Trophäenjagd, aber auch Unruhen und der Klimawandel.Die Information über die Bestände ist für die Arbeit der namibischen Naturschutzorganisation Giraffe Conservation Foundation wichtig, um Regierungen von der Notwendigkeit zum Schutz der Giraffen zu überzeugen, bzw. Schutzmaßnahmen zu verbessern. Die Giraffe muss als bedrohte Art anerkannt werden. Den Regierungen Nigers, Namibias, Südafrikas und Kenyas ist dies bereits bewußt, den europäischen muss es noch bewusst(er) werden.